BLOG #2 – Der Darm im (Ausdauer-)Sport: Mehr als die DIXI-Frage!

Die allermeisten Athlet:innen kennen die unangenehme Situation eines arbeitenden Verdauungstraktes beim Sport - sei es beim sonntäglichen Longrun oder im Wettkampf, wo der nicht geplanten DIXI-Stop wertvolle Zeit kosten kann.

Die Bedeutung des Darms im Sport geht aber weit darüber hinaus. Warum eine der ersten Fragen und Labor-Untersuchungen in unserer Praxis auf den Bauch abzielen, lest ihr im folgenden Artikel.

Im modernen Triathlon ist man, was die Frage nach Einsatz, Zusammensetzung und Dosierung von Wettkampfernährung angeht, bereits absoluter Vorreiter in der Sportwelt.

In kaum einer anderen Sportart findet bereits so viel wissenschaftliche Erkenntnis aus dem Bereich Ernährung Einfluss im täglichen Training und Wettkampf, wie im Ausdauersport. Die Frage  nach der effizientesten Verwendung der Makronährstoffe, nach dem richtigen Verhältnis von Glukose und Fruktose, dem Sinn und Unsinn von Nüchterntraining oder ob 90 Gramm, 120 Gramm oder sogar noch mehr Kohlenhydrate pro Stunde im Wettkampf aufgenommen werden können, haben sich bereits die meisten ambitionierten Hobbyathlet:innen und mit Sicherheit alle Profis und Trainer schon gestellt. Die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen in diesem Sektor und deren mediales Echo nimmt immer weiter zu - wenn man auch sagen muss, dass die Annäherung an die optimale Funktionsweise bis dato hauptsächlich aus Trial and Error und den Erfahrungen der Trainer und Athleten besteht.

Dieser zunehmende Grad der Professionalisierung ist absolut begrüßenswert, da hiermit nicht nur bessere sportliche Leistungen im Spitzen- und Breitensport möglich sind, sondern insbesondere auch gesundheitliche Schäden (wie bspw. RED-S) besser verhindert werden können.

Allerdings wird immer noch viel zu wenig über die andere Seite der Ernährung gesprochen: Den Darm des/der Athlet:in und sein Mikrobiom.

Als Mikrobiom bezeichnen wir übrigens die Gesamtheit der Mikroorganismen (Bakterien, Pilze und Viren), die unseren Darm, die Haut und Schleimhäute besiedeln und ohne die ein Überleben nicht möglich wäre.

Die Rolle des Darms im Zusammenspiel mit dem Mikrobiom für die allgemeine Gesundheit ist garnicht hoch genug zu bewerten. Zur Einordnung einige Zahlen und Fakten:

  •  Der Darm ist mit ca. 8 Metern Länge und einer Innenfläche von ca. 400 Quadratmetern so lang wie ein LKW, fast so groß wie ein Basketballfeld und unser größtes Organ.
  •  Der Darm macht ca. 10% des gesamten Energieverbrauchs im Ruhezustand aus.
  •  Neben den offensichtlichen Funktionen Verdauung, Aufnahme von Mikro- und Makronährstoffen und Ausscheidung, spielt der Darm eine essenzielle Rolle bei der Produktion der meisten Hormone und bei der Immunfunktion. Etwa 70-80% unseres Immunsystems befindet sich im Darm.
  • Das Mikrobiom selbst wird als eigenständiges „organähnliches System“ beschrieben, das die Verdauung unterstützt, über die Energieverwertung im Körper bestimmt, Neurotransmitter und Vitamine herstellt und das Immunsystem reguliert. 
  • Das Gesamtgewicht des Mikrobioms beträgt schätzungsweise 1,5 - 2 Kg.
  • Über 1.000 Bakterienarten wurden bisher identifiziert, deren kombiniertes Genom (gesamte Erbinformation) das menschliche um das 100-fache übersteigt.   
  • Wir haben mehr Mikroorganismen im Körper (ca. 39 Billionen) als körpereigene Zellen (ca. 30 Billionen).
© wildpixel / iStock / Getty Images Plus

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Die Komplexität dieses Systems und seine Wirkweise auf den gesamten Körper zu besprechen, würden den hier gewählten Rahmen sprengen.

Wir konzentrieren uns auf einige Fragestellungen und Untersuchungen, die speziell im ambitionierten Sport von Bedeutung sind - und das ist noch lang genug. Neben einem ausführlichen Anamnese-Gespräch über die Ernährungsgewohnten, mögliche Auffälligkeiten der Verdauung, Medikamente oder durchgemachte Krankheiten und Operationen ist eine Stuhlprobe eine der ersten Untersuchungen, die wir jedem Profi und ambitionierten Amateurathleten nahelegen und in unserer Praxis durchführen.

Dies sind 6 gute Gründe:

1) Ursache von LGI und der Grund für die muskuläre Schwachstelle?

Ein schleichender Killer für unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit ist die Anwesenheit von niedriggradigen Entzündungen (Low-grade inflammation: LGI). 

Üblicherweise wird bei einer Verletzung oder Infektion das Gehirn über verschiedene Signalwege über die Notwendigkeit einer Immunreaktion informiert. Wir reagieren mit einer Krankheitsreaktion („Sickness Behavior“) und überlassen unserem Immunsystem die Kontrolle über unsere Körperfunktionen, was dieses insbesondere mit einer großzügigen Nutzung der vorhandenen Energie dankt. Wir sind krank und schlapp, ziehen uns zurück, kriegen vielleicht Fieber und machen möglicherweise eine lokale Abwehrreaktion wie Schnupfen und Husten oder die Entzündungsreaktion einer Wundheilung. Das Immunsystem ist aktiv und alle anderen Systeme ordnen sich der Notwendigkeit der Verteidigung unter. Nach einer entsprechenden Bettruhe und Heilungsphase ist die Situation überwunden, das Immunsystem zieht sich wieder in den „Ruhezustand“ zurück und wir stehen mit voller Gesundheit wieder auf.

Eine LGI bedeutet hingegen eine leichte, chronische Entzündungsreaktion, bei der wir uns nicht krank fühlen, kein „sickness behavior“ zeigen, unser Immunsystem jedoch trotzdem (lokal oder systematisch) aktiv ist. Dieser „Schwebezustand“ ist für unseren Körper auf Dauer schädlich und viele neurodegenerative, kardiologische, psychische und metabole Krankheiten, aber auch eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit und erhöhte Verletzungsgefahr, werden damit in Verbindung gebracht.

Low grade inflammation: Akut vs. chronisch

Eine große Ursache von LGI stellen Barrierestörungen, Mikroverletzungen und Infektionen im Mund-Magen-Darm-Trakt dar. Angefangen mit Zahnfleischbluten bis zu Entzündungsreaktionen im Darm. Dies können wir u.a. mit einer Stuhluntersuchung genau feststellen.

Als ambitionierte:r Athlet:in machen LGI bei der Energiebereitstellung im Training und Wettkampf und besonders bei der Regeneration und Verletzungsprophylaxe einen großen Unterschied. So werden bei einem aktivierten Immunsystem ca. 9-30% mehr Energie in Form von energiereichen Brennstoffe (vornehmlich Proteine und Kohlenhydrate) benötigt. Diese Energie wird dann nicht mehr z.B. in Form von Glykogen in der Leber und Muskulatur oder als Fettreserve gespeichert, sondern von dort aus wieder mobilisiert und dem Immunsystem zur Verfügung gestellt.

Energiespeicherung (ruhiges Immunsystem) vs Energieverbrauch (aktiviertes Immunsystem)

Da das Immunsystem nicht über eigene Energiereserven verfügt, werden die Brennstoffe aus der umliegenden Muskulatur, des Faszien-/Sehnenkomplexes und der Knochenstruktur abgezogen und dem Immunsystem zur Verfügung gestellt. Dies führt auf Dauer zu Strukturdefekten im entsprechenden Gewebe und stellt eine verringerte Belastbarkeit dar - quasi eine Sollbruchstelle der extrazellulären Matrix. 

Dies ist der Moment, wo bspw. eine Achillessehne, eine Plantarfaszie, ein Muskel der Rotatorenmanschette oder ein Hüftknochen bei gleicher Belastung scheinbar ohne erkennbaren Grund entzündet oder gar reißt und bricht.

Wenn wir sekundäre Verletzungen sehen (so genannte „Überlastungsverletzungen“) oder die gleiche Verletzung immer wieder kommt oder einfach nicht abheilen mag, kann der Schlüssel zur Lösung im Darm und der dazugehörigen Energieregulation liegen.  

  • Straub, R.H., Cutolo, M., Buttgereit, F. and Pongratz, G. (2010), Energy regulation and neuroendocrine–immune control in chronic inflammatory diseases. Journal of Internal Medicine, 267: 543-560. https://doi.org/10.1111/j.1365-2796.2010.02218.x
  • Walker AK, Kavelaars A, Heijnen CJ, Dantzer R. Neuroinflammation and comorbidity of pain and depression. Pharmacol Rev. 2013 Dec 11;66(1):80-101. https://doi.org/10.1124/pr.113.008144

 

2) Leaky-Gut und Trainingsstress -> Endotoxämie

Auch wenn wir über die üblichen Laborparamter (Calprotectin, sIgAs, Lysozym, Lactoferrin) keine Entzündungsreaktionen und Zellschäden im Darm feststellen können, zeigen viele Ausdauersportler aufgrund des hohen körperlichen Stresslevels durch die Trainingsbelastung (insbesondere bei Hitze) und die Verschiebung der Durchblutung zugunsten der Skelettmuskulatur auf Kosten des Magen-Darm-Traktes Mikroschäden in der Schleimhaut und eine durchlässige Darmwand. Dieses auch als „Leaky Gut“ („Durchlässiger Darm“) bezeichnete Phänomen beschreibt eine Schädigung der Verbindungen („Tight Junctions“) zwischen einzelnen Darmepitheel-Zellen. Zonulin und I-FABP sind die zur Beurteilung relevanten Labormarker.

Man kann sich die Darmwand als engmaschiges Fischernetz vorstellen, das sehr streng reguliert, welche Mikro- oder Makronährstoff durch die Barriere ins Körperinnere aufgenommen werden und welche Toxine, Bakterien, Viren und Pilze draußen bleiben müssen und mit dem Stuhl wieder ausgeschieden werden.

Bei einem Aufbrechen dieser Tight Junctions bekommen wir nun Löcher im engmaschigen Netz, wodurch unfreiwillig auch Toxine und Liposaccharide (LPS) aufgenommen werden. Diese LPS stimulieren erneut entzündungsfördernder Botenstoffe (pro-inflammatorische Zytokine), die wiederum zu einer metabolen Endotoxämie mit einer chronisch-latenten Aktivierung des Immunsystem führen und oxidativen Stress erzeugen.

Darüber hinaus können Nahrungsmittelunverträglichkeiten aufgrund einer verminderten Synthese von Laktase und des Histamin abbauenden Enzyms DAO verstärkt werden.

Resorptionsstörungen aufgrund der gestörten Darmbarriere führen außerdem zu einer verminderten Aufnahme von Nahrungsmittelbestandteilen, Mikronährstoffen und Vitaminen.

So kann trotz einer adäquaten Ernährung und sogar einer guten Supplementierung eine Unterversorgung von insbesondere den essentiellen Spurenelementen Zink, Selen, Kupfer, Magnesium, Mangan, Kobalt und Chrom beobachten werden. Eine erhöhte Infektanfälligkeit ist die Folge.

Im Gegenzug gelangen vermehrt toxische Metalle wie Quecksilber, Silber, Zinn, Blei, Arsen oder Aluminium in den Darm.

Bevor wir also über Mikronährstoffe und Nahrungsergänzungsmittel reden, interessieren uns zuerst die Schleimhaut und Epitheelbarrieren im Darm.

 


 

3) Aufnahme Makronährstoffe

Neben einer intakten Darmbarriere ist auch die Zusammensetzung des Mikrobioms entscheidend für eine adäquate Aufnahme von Mikro- und Makronährstoffen. 

Für ein tieferes Verständnis des Einflusses vom Mikrobiom auf die Nährstoffaufnahme sind noch weitere Studien notwendig, jedoch gibt es bereits zahlreiche Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und der Effizienz der Kalorienaufnahme. Wenn es also beispielsweise darum geht, wieviel Gramm Kohlenhydrate ich pro Stunde aufnehmen kann und wieviel davon auch wirklich meiner Muskulatur zur Verfügung stehen kann, dreht sich auch vieles um den Darm und das Mikrobiom. 

Ebenso scheint eine Supplementierung mit entsprechenden Probiotika die Aufnahme und Verwertung von Proteinen im Darm zu verbessern. Dies kann die Regeneration der Muskulatur und das Auffüllen der Glykogenspeicher nach einer intensiven Belastung beschleunigen und führte zu einer schnelleren Regeneration.

 

  • Basolo, A., Hohenadel, M., Ang, Q.Y. et al. Effects of underfeeding and oral vancomycin on gut microbiome and nutrient absorption in humans. Nat Med 26, 589–598 (2020). https://doi.org/10.1038/s41591-020-0801-z
  • Jumpertz R, Le DS, Turnbaugh PJ, Trinidad C, Bogardus C, Gordon JI, Krakoff J. Energy-balance studies reveal associations between gut microbes, caloric load, and nutrient absorption in humans. Am J Clin Nutr. 2011 Jul;94(1):58-65. https://doi.org/10.3945/ajcn.110.010132 

 

4) Mikrobiom-Muskel-Achse

Studien bei Mäusen und Menschen zeigen eine Verbindung zwischen der Aktivität des Darmmikrobioms und der Anpassungsfähigkeit der Skelettmuskulatur. 

Bei Nagetieren wurden hauptsächlich Milchsäurebakterien (Laktobazillen) und Bifodbakterien identifiziert, die den Abbau von Muskulatur verhindern und zu einer erhöhten muskulären Leistungsfähigkeit beitragen. Auf den Menschen ist dies in Ermangelung weiterführender Studien und der Komplexität der Messmethodik noch nicht 1:1 übertragbar, jedoch zeigen Untersuchungen eine schlechtere Muskelanpassung auf Trainingsreize und eine verringerte Kraft bei einem gestörten Mikrobiom nach einer Antibiotika-Therapie.   

Ebenso beschleunigen ausgewählte entzündungshemmende, probiotische Bakterienstämme die Genesung von Mikrotraumata in der Muskulatur nach intensiver Beanspruchung. Es konnten in einigen Studien die Ausdauerleistung unter trainierten Marathonläufern, insbesondere bei großer Hitze, sowie die Muskelmasse durch die Gabe von verschiedenen Laktobazillen-Stämmen verbessert werden. 

Marttinen M, Ala-Jaakkola R, Laitila A, Lehtinen MJ. Gut Microbiota, Probiotics and Physical Performance in Athletes and Physically Active Individuals. Nutrients. 2020; 12(10):2936

Auch beim Laktatstoffwechsel haben die Darmbakterien ihre Finger im Spiel. Studien zeigen, dass ein Teil des bei hohen Intensitäten in der Skelettmuskulatur produzierten Laktats in den Darm gelangt und dort als Brennstoff für spezifische Bakterienstämme dient. Dies wirkt sich positiv sowohl auf die Ausdauer-Leistungsfähigkeit als auch auf die Darmgesundheit aus. Eine geniale Symbiose unserer verschiedenen Körpersysteme.

Marttinen M, Ala-Jaakkola R, Laitila A, Lehtinen MJ. Gut Microbiota, Probiotics and Physical Performance in Athletes and Physically Active Individuals. Nutrients. 2020; 12(10):2936

In einer aufsehenerregenden Studien bei Elite Marathonläufern und Ruderern haben Wissenschaftler zeigen können, dass insbesondere das Bakterium Veillonella atypica in Stuhlproben der Athleten nach der Belastung signifikant angestiegen war und sich nach einigen Wochen wieder normalisierte. Diese Art Bakterien verstoffwechselt Laktat zu Acetat und Propionat.

Besiedelt man nun den Darm von Mäusen mit Veillonella atypica laufen diese signifikant, nämlich 13 Prozent, länger bis zur kompletten Erschöpfung als ohne das Darmbakterium.

Um dies auf den Menschen zu übertragen, ist es noch zu früh. Es wird aber vermutlich nicht mehr lange dauern, bis weitere Humanstudien zu dem Thema veröffentlich werden und hieraus ein Nutzen im Leistungssport formuliert werden wird. Spezifische Darmbakterien für mehr Leistung!

 

  • Ralf Jäger et al. (2019) International Society of Sports Nutrition Position Stand: Probiotics, Journal of the International Society of Sports Nutrition, 16:1, DOI: 10.1186/s12970-019-0329-0
  • Scheiman, J., Luber, J.M., Chavkin, T.A. et al. (2019) Meta-omics analysis of elite athletes identifies a performance-enhancing microbe that functions via lactate metabolism. Nat Med 25, 1104–1109. https://doi.org/10.1038/s41591-019-0485-4
  • Giron M., Thomas M., Dardevet D., Chassard C., and Savary-Auzeloux I. (2022) Gut microbes and muscle function: can probiotics make our muscles stronger?, Journal of Cachexia, Sarcopenia and Muscle, 13, 1460–1476, https://doi.org/10.1002/jcsm.12964 
  • Chew W, Lim YP, Lim WS, Chambers ES, Frost G, Wong SH, Ali Y. (2023) Gut-muscle crosstalk. A perspective on influence of microbes on muscle function. Front Med (Lausanne). 2023 Jan 9;9:1065365. https://doi.org/10.3389/fmed.2022.1065365
  • M Marttinen et al. (2020) Gut Microbiota, Probiotics and Physical Performance in Athletes and Physically Active Individuals; Nutrients 2020, 12(10), 2936; https://doi.org/10.3390/nu12102936 
  • Feng W, Liu J, Ao H, Yue S, Peng C. Targeting gut microbiota for precision medicine: Focusing on the efficacy and toxicity of drugs. Theranostics. 2020 Sep 14;10(24):11278-11301. https://doi.org/10.7150/thno.47289

 

5) Immunsystem: Erkältungskrankheiten

Einer der vermutlich am besten erforschten Einflüsse des Darmmikrobioms bezieht sich auf das Immunsystem, genauer auf die Anzahl, Schwere und Dauer von Infektionen der oberen Atemwege - der klassichen Erkältung. Durch die hohe Trainingsbelastung, Umwelteinflüsse, Auslandsreisen, Menschenmengen, Hygiene in Trainingsstätten und ggf. psychischem Stress und Schlafstörungen ist die Exposition von Athleten gegenüber Krankheitserregern und deren Infektionsraten erhöht. 

Neben der Wichtigkeit eines allgemein guten Darmmikrobioms ist insbesondere der Stamm Enterococcus faecalis als Wirkstoff zur Prävention und Behandlung von Erkältungskrankheiten zugelassen. Ein Arzneimittel also mit Darmbakterien gegen Erkältungen.

Stellen wir bei der Labordiagnostik einen Mangel an Enterokokken im Stuhl des/der Athlet:in fest ist es ein primäres Ziel, diesen Mangel auszugleichen und durch ein gesundes Mikrobiom eine bessre Resistenz gegenüber Krankheitserregern zu schaffen. 

 

  • Wang J, Zhu N, Su X, Gao Y, Yang R. Gut-Microbiota-Derived Metabolites Maintain Gut and Systemic Immune Homeostasis. Cells. 2023 Mar 2;12(5):793. https://doi.org/10.3390/cells12050793
  • Wiertsema SP, van Bergenhenegouwen J, Garssen J, Knippels LMJ. The Interplay between the Gut Microbiome and the Immune System in the Context of Infectious Diseases throughout Life and the Role of Nutrition in Optimizing Treatment Strategies. Nutrients. 2021 Mar 9;13(3):886. https://doi.org/10.3390/nu13030886
  • Habermann W, Zimmermann K, Skarabis H, Kunze R, Rusch V. (2001) The effect of a bacterial immunostimulant (human Enterococcus faecalis bacteria) on the occurrence of relapse in patients with. Arzneimittelforschung. 2001 Nov;51(11):931-7. https://doi.org/10.1055/s-0031-1300140
  • Habermann W, Zimmermann K, Skarabis H, Kunze R, Rusch V. (2002) Reduction of acute recurrence in patients with chronic recurrent hypertrophic sinusitis by treatment with a bacterial immunostimulant (Enterococcus faecalis Bacteriae of human origin Arzneimittelforschung. 2002;52(8):622-7. https://doi.org/10.1055/s-0031-1299941 

So war es auch bei Nico der Fall. Der Stuhlbefund zeigte eine reduzierte Population von Enterokokken und wiederkehrende Erkältungen und Trainingspausen über mehrere Tage waren in den vergangenen Jahren immer wieder ein Thema.

Durch kleine Umstellungen in der Ernährung und u.a. eine zielgerichtete Supplementierung haben wir es geschafft von November bis März im kalten Deutschland mit nur einer kleinen, zwei-tägigen Trainingspause konstant trainieren zu können. Bekanntlich gilt „consistency is key“ auch im Triathlon und so wird sich ein konstantes Trainingspensum im Laufe der Saison auszahlen!


 

6) Gastro-intestinaler Stress

Schlußendlich doch die DIXI-Frage: Der Begriff „training the gut“ ist in den letzten Jahren populär geworden und geht insbesondere auf die Vermutung zurück, dass die Verträglichkeit der Wettkampfbedingungen mit kohlenhydratreicher Ernährung durch Gels und/oder angereicherter Flüßigkeit trainiert werden kann. Somit kann die Magenentleerung und Nährstoffaufnhame auch bei großer körperlicher Belastung verbessert werden, eine Leistung länger aufrechterhalten und die wahrgenommene Magen-Darm-Symptomatik („GI-stress“) wie Völlegefühl, Durchfall, Bauchkrämpfe und Übelkeit reduziert werden.

Diese Symptome treten möglicherweise auch durch psychischen Stress einer Wettkampfsituation oder bei großer Hitze verstärkt auf, werden bei Athleten jedoch auch im (Trainings-)Alltag immer wieder beobachtet. Diffuse Symptome, die unter „Reizdarm“ zusammen gefasst werden, sind auch unter Sportlern weit verbreitet und können den (Trainings-)Alltag stark beeinflussen.

Die Ursachen dafür sind vielfältig und meist multi-faktoriell. Ein gutes Darmmikrobiom, ein guter Schleimhauzustand und ein differenziert arbeitendes Immunsystem im Darm sind jedoch Grundvoraussetzungen für einen belastbaren Magen-Darm-Trakt.

Ribichini E, Scalese G, Cesarini A, Mocci C, Pallotta N, Severi C, Corazziari ES. Exercise-Induced Gastrointestinal Symptoms in Endurance Sports: A Review of Pathophysiology, Symptoms, and Nutritional Management. Dietetics. 2023; 2(3):289-307
  • Ribichini E, Scalese G, Cesarini A, Mocci C, Pallotta N, Severi C, Corazziari ES. Exercise-Induced Gastrointestinal Symptoms in Endurance Sports: A Review of Pathophysiology, Symptoms, and Nutritional Management. Dietetics. 2023; 2(3):289-307. https://doi.org/10.3390/dietetics2030021 

 

Diese oben genannten Punkte sind nur ein kleiner Teil der Gründe, warum es sich lohnt, die Darmgesundheit im Gesundheitswesen und speziell im Leistungssport ganz hoch zu priorisieren. Der Großteil der hier aufgeführten Studien ist maximal 3-4 Jahre alt, was zeigt, dass in diesem Gebiet einerseits aktuell viel gute Forschung stattfindet - andererseits auch noch viele Wirkmechanismen unerschlossen sind. 

Ähnlich wie in den Trainingswissenschaften gibt es viele gute Studien, die gewisse Effekte und Wirkmechanismen vermuten lassen. Daraus eine direkte und pauschale Handlungsempfehlung für alle Athlet:innen ableiten zu können, ist jedoch nicht möglich. Die Zusammensetzung des menschlichen Darmmikrobioms ist so individuell wie ein Fingerabdruck und entsprechend individuell ist die Arbeit mit Patienten und Sportlern in diesem Gebiet.

Dennoch gibt es einige grundlegenden Empfehlungen und Tipps, die allgemeingültig sind und zu einer Verbesserung des Darms beitragen und so auch die Leistungsfähigkeit erhöhen können.

Die nachfolgenden 7 Tipps beziehen sich hauptsächlich auf Fragen der Alltagsernährung, bei der nicht nur die Energiedichte - also die Menge an Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen - wichtig ist, sondern insbesondere die Nährstoffdichte einen höheren Stellenwert einnimmt.

Die Sport- und Wettkampfernährung hat in der Sportlerernährung wiederum andere Aufgaben und ist ein eigenes Thema für sich.

1. Ein „gutes“ Mikrobiom ist ein „diverses" Mikrobiom

Ein „gutes“ Mikrobiom ist ein „diverses" Mikrobiom. D.h. nicht die absolute Menge eines bestimmten Bakterienstammes ist hier entscheidend, sondern die Vielfältigkeit und das Zusammenspiel der vielen verschiedenen Mikroben. Diese Vielfalt ist abhängig von einer ebenso vielfältigen Ernährung. Haben unsere Vorfahren bis vor Kurzem noch durchschnittlich 150 verschiedene, meist pflanzliche, Nahrungsmittel verzehrt, landen bei uns meist nur noch ca. 20 verschiedene Lebensmittel im Einkaufskorb.

Esst vielfältig und bedient euch an der ganzen Palette an Obst, Gemüse, Kräutern, Nüssen, Ölen, Hülsenfrüchten und Getreideprodukten!

Sorgt für buchstäblich bunte Teller mit einer hauptsächlich pflanzlichen Ernährung und habt keine Scheu vor exotischen Früchten oder Nahrungsmitteln aus der "alten Zeit".

Tierische Produkte sollten so „art-fremd“ wie möglich sein, z.B. Geflügel, Eier, Fisch und Meerestiere - wenig Säugetierprodukte und insbesondere Schweinefleisch. Die Diversität auf unserem Speiseplan hat nicht nur positive Effekte auf unseren Darm, sondern über die vielen sekundären Pflanzenstoffe, Vitamine, Spurenelemente und Anti-Oxidantien viele weitere positive Eigenschaften, über die wir an anderer Stelle, wenn es um Mikronährstoffe im Speziellen geht, noch tiefergehend sprechen werden.

Armet, Anissa M., et al. „Rethinking healthy eating in light of the gut microbiome.“ Cell Host & Microbe 30.6 (2022): 764-785

2. Esst regional, saisonal und aus biologischem Anbau

Esst regional, saisonal und - wenn möglich - aus biologischem Anbau. Die Nährstoffdichte von frischem Obst und Gemüse ohne lange Transportwege und künstlich verlängerter Haltbarkeit sowie auf nachhaltig bewirtschafteten Böden ist meist bedeutend größer als bei lange gelagerten oder haltbar gemachten Lebensmitteln. Der Einsatz von Pestiziden belastet unseren Körper zusätzlich und ausgelaugte Böden führen zu einer weiteren Abnahme von Nährstoffen in unserer Ernährung. Hochwertiges Tiefkühlgemüse kann dabei durchaus hohe Anteile von Mikro- und Makronährstoffen beinhalten. Achtet allgemein aber auf eine schonende Zubereitung. Viele Inhaltsstoffe gehen bei einer starken Erhitzung oder langen Zubereitungszeit verloren. Vermeidet verarbeitete Lebensmittel und Fertigprodukte im Alltag, wo immer es geht!

Wardenaar, Floris. Evaluation of dietary intake and nutritional supplements use of elite and sub-elite Durch athletes: Dutch Sport Nutrition and Supplement Study. Diss. Wageningen University and Research, 2017

3. Es ist nicht nur wichtig, WAS, sondern auch WIE, ich esse!

Es ist nicht nur wichtig, WAS ich esse, sondern auch WIE ich esse. Essen und Verdauung sind wie Wundheilung, Regeneration und Schlaf anabole Prozesse und Funktionen des Parasympathsichen Nervensystems. Sie sorgen für Reparatur und Erholung im Körper. Dies ist der Gegenspieler des Sympathischen Nervensystems bei dem Aktivität, Leistung, (Eu-)Stress und allgemein katabole Prozesse im Vordergrund stehen.

Insbesondere Sportler, die einen Großteil des Tages unter (Trainings-)Stress verbringen, sollten darauf achten, beim Essen und Verdauen eine entspannte und angenehme Situation zu schaffen.

ermeidet das Essen in Bewegung und zwischendurch. Setzt euch in Ruhe an den Esstisch und nehmt euch Zeit zum Kauen, verzichtet auf Ablenkung durch TV oder Handy.

Evolutionär ist das Essen auch eine soziale Aktivität, bei der die Aktivität und Sicherheit der Gruppe eine große Rolle spielt. Ladet euch also gerne angenehme (!) Gesellschaft zum Essen ein, bereitet Essen gemeinsam zu und verbringt die Zeit gemeinsam.

4. Neben dem WAS und dem WIE auch das WANN!

Neben dem WAS und dem WIE pst auch das WANN eine wichtige Frage! Wenn wir in einem der folgenden Blog-Beiträge über Biorhythmus sprechen werden, gehen wir hier noch detaillierte drauf ein. Es ist sehr wichtig für den Darm, Erholungspausen zu bekommen. Wenn ich im Leistungssport-Alltag den Tag mit entweder Trainieren oder Essen verbringe, findet das Zentrale Nervensystem und der Darm kaum Ruhe.

Versucht eure Kalorienaufnahme so zu planen, dass ihr dem Körper auch komplette Pausen geben könnt und zumindest abends und nachts keine weitere Nahrung aufnehmen müsst.

Dies ist für viele Profi- oder ambitionierte Amateursportler durchaus schwieriger als es scheint. Das optimale Zeitfenster vor und nach einer Trainingseinheit zu treffen, einen vollen Bauch - insbesondere beim Laufen - zu vermeiden, die Hauptmahlzeiten zu respektieren, dabei aber die Kalorienaufnahme während der Einheiten aufrecht zu erhalten und dann noch Ruhepausen einzuhalten? Nicht einfach, aber lohnenswert!

5. Vermeidet den Gebrauch von Schmerzmitteln, Antibiotika und Säureblocker

Vermeidet den Gebrauch von Schmerzmitteln wie Ibuprofen und anderen NSAIDs, Antibiotika oder so genannten Säureblocker als „Magenschutz“ (z.B. Pantoprazol).

Die diversen negativen Einflüsse auf den Darm und das Mikrobiom sind hinlänglich bekannt und trotz der hohen Verfügbarkeit insbesondere von Schmerzmitteln und Säureblockern, sind dies Medikamente, die für die Behandlung ernsthafter Erkrankungen, und im Falle von Antibiotika, wirklich für den Notfall vorgesehen sind.

Wenn ich mich ohne Schmerzmittel nicht belasten kann, dann lasst dies bitte sein und wendet euch an euren Arzt oder zuständigen Therapeuten! Schmerzen im Bewegungsapparat, eine entzündete Magenschleimhaut oder vereiterte Nasennebenhöhlen sind kein Mangel an Medikamenten sondern möglicherweise Teil einer ernstzunehmenden Erkrankung oder doch zumindest ein Warnsignal des Körpers, dass unter diesen Bedingungen eine sportliche Belastung nicht angebracht ist. Für unser Darmmikrobiom ist der regelmäßige Gebrauch dieser Medikamente ein großes Problem, das wir selbst vermeiden können.

6. Prä- vor Probiotika

Wenn ihr euer Mikrobiom gezielt, z.B. nach einer notwendigen Gabe von Antibiotika, wieder aufbauen wollt, denkt nicht zuerst an die Probiotika-Produkte in Pulver oder Kapselform, sondern vor allem auch an Prä-Biotika. Dies sind vor allem Ballaststoffe, also faserreiche Pflanzenstoffe, die den Darmbakterien u.a. als Nährstoffquelle dienen.

Für eine nachhaltige Besiedelung mit „guten“ Darmbakterien ist eine ausreichender Versorgung mit Ballaststoffen (20-30 Gramm täglich) essenziell.

Wenn ihr Punkt 1 & 2 dieser Liste befolgt, Vollkornprodukte und Gemüse und Obst mit Schale verzehrt, wird die Versorgung mit Ballaststoffen für euch kein großes Problem darstellen.

Insbesondere vor intensiven Trainingseinheiten oder im Wettkampf ist ein Bauch voller Ballaststoffe allerdings sehr hinderlich. Abhilfe kann da eine Unterstützung mit Akazienfaser-Pulver sein, welches sehr gut verträglich ist und sehr viele positive Eigenschaften vereint. 

© BIOVIS

7. Labordiagnostik und gezielte Supplementierung

Bei darmassoziierten Beschwerden oder unter einem präventiven Gedanken, insbesondere im Leistungssport, ist eine Stuhlprobe bei einem zertifizierten Labor eine sinnvolle Option. Mit unserem Laborpartner Ganzimmun AG habe wir die Möglichkeit, anhand einer ausführlichen Diagnostik einen sehr genauen Überblick über die Situation im Darm zu bekommen. Dazu gehört eine detaillierte Analyse des Mikrobioms und Verdauungsrückständen (Zucker, Fette, Stärke, Wasser), die beispielsweise Rückschlüsse auf die Funktion der Galle oder Fruktose-/Laktose-Intoleranzen geben können. Dazu eine mögliche Anwesenheit von Hefe- oder Schimmelpilzen sowie diverse weitere Parameter zur Beurteilung von Schleimhaut, Darmwand und Immunzustand sowie mögliche Nahrungsmittelallergien (Alpha1-AT, Calprotectin, sIgA, EPX, Lysozym, PMN-Elastase, Beta-2-Defensin, Lactoferrin).

Unter Berücksichtigung der Punkte 1 - 6 dieser Liste ist dann eventuell auch eine spezifische Supplementierung mit Probiotika, also lebenden Bakterienstämmen, sinnvoll. In der Regel sind dies Prozesse über mindestens 2-3 Monate und sollten fachkompetent begleitet werden. Von der blinden Einnahme eines Probiotikums aus der Werbung oder auf Empfehlung von Freunden und Bekannten ohne eine vorhergehende Analyse und entsprechende Begleitung raten wir unbedingt ab. Nicht nur ist dies vermutlich rausgeschmissenes Geld, sondern kann weitreichende, negative Folgen für den Darm und unser Immunsystem haben.

© GanzImmun AG: Laborbogen A


Wenn ihr diesen Artikel bis hierhin gelesen habt, ist euch sicherlich bewusst geworden, wie komplex und individuell das Thema „Darm im Leistungssport“ ist, aber hoffentlich auch, welch großes Potenzial hier für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen liegt.

Wir stehen als kleines Team bei OsteoMed Freiburg als Berater und Therapeuten mit vielen Jahren Erfahrung und mit allen Möglichkeiten der modernen Labordiagnostik in diesen Fragen gerne zur Verfügung.

Um in den Fragen Gesundheit und Leistungsverbesserung sinnvolle Antworten und Empfehlungen geben zu können, benötigen wir in der Regel ein Bild mit mehreren Puzzle-Teilen, z.B. ausführlichen Gesprächen, einer körperlichen Untersuchung, diversen Labortests (Stuhl, Blut, Urin, Speichel) oder trainingsspezifischen Übungen und körperlichen Tests. Eine Diagnose oder klare Aussage ist selten aufgrund eines einzelnen Tests zu treffen. Das macht unseren ganzheitlichen Ansatz aus und das bringt uns langfristige Erfolge.


Bleibt dran, wenn es bald mit Teil 3 in diesem Blog weiter geht. Das Thema dann: Eine differenzierte Auseinandersetzung mit Mikronährstoffen im Ausdauersport.